Barrieren erfolgreich überwinden

Präventionsdilemma in der Suchthilfe

Eine der größten Herausforderungen der Suchtprävention besteht darin, besonders gefährdete Menschen und Gruppen zu erreichen. Dazu zählen beispielsweise Kinder und Jugendliche aus sucht- und/oder psychisch belasteten Familien, Menschen mit Beeinträchtigungen und ältere Menschen. Dieses Problem ist als Präventionsdilemma bekannt und beeinflusst unsere Gesellschaft erheblich. Erfahre mehr über das Präventionsdilemma und die Chancen, die durch technologische Unterstützung entstehen können.

Das Präventionsdilemma

Das Präventionsdilemma beschreibt die ungleichen Auswirkungen von Präventionsmaßnahmen auf verschiedene Gruppen von Menschen und steht dem Ziel der gesundheitlichen Chancengleichheit entgegen. Es kann dazu führen, dass bestimmte – vor allem vulnerable – Zielgruppen nicht oder kaum von Präventionsangeboten erreicht werden. Diese gesundheitliche Chancenungleichheit kann auf soziale und wirtschaftliche Unterschiede zurückgeführt werden, die sich beispielsweise in Differenzen im Bildungsniveau und begrenztem Zugang zu Gesundheitsinformationen äußern. Dies mündet schließlich in fehlender oder mangelnder Gesundheitskompetenz. Auch finanzielle Barrieren erschweren zusätzlich den Zugang zu Präventionsangeboten. Diese Ungleichheiten verstärken sich und können zur Stigmatisierung dieser Zielgruppen beitragen.

Warum ist das Präventionsdilemma besonders in der Suchthilfe relevant? 

In der Suchthilfe stellt das Präventionsdilemma eine besondere Herausforderung dar, weil Menschen mit Suchtproblemen oft erst spät den Weg in Hilfseinrichtungen finden. Viele suchen zuerst digital nach Informationen, bevor sie eine Einrichtung und professionelle Hilfe aufsuchen. Das liegt oft daran, dass der Schritt in eine Suchtberatungsstelle eine große Hürde darstellen kann. Die Angst vor Stigmatisierung und das Bedürfnis nach Anonymität spielen dabei eine bedeutende Rolle. Digitale Angebote können den Betroffenen die Möglichkeit bieten, sich zunächst anonym zu informieren und Unterstützung zu suchen.

Erschreckende Realitäten

Drogen und Suchtmittel verursachen in Deutschland erhebliche gesundheitliche, soziale und volkswirtschaftliche Probleme:

  • Rauchen: 11,6 Millionen Menschen
  • Alkoholabhängigkeit: 1,6 Millionen Menschen
  • Problematischer Medikamentenkonsum: 2,9 Millionen Menschen
  • Problematischer Konsum von Cannabis und anderen illegalen Drogen: 1,3 Millionen Menschen
  • Glücksspielbezogene Störung: 1,3 Millionen Menschen
  • Onlineabhängigkeit: etwa 560.000 Menschen

Diese Zahlen verdeutlichen die Dringlichkeit effektiver Präventionsmaßnahmen (Bundesministerium für Gesundheit [BMG], 2021).

Technologische Unterstützung durch Künstliche Intelligenz und Digitalisierung

Künstliche Intelligenz (KI) und digitale Technologien bieten vielversprechende Ansätze, um das Präventionsdilemma in der Suchthilfe zu überwinden und die gesundheitliche Chancengleichheit zu fördern. Diese Technologien sind immer präsenter in unserem Alltag und werden zunehmend als Lösungen, auch in der Suchthilfe eingesetzt. Wir als nuvio befassen uns momentan intensiv mit diesen Entwicklungen und sehen bereits erste richtige Schritte in die richtige Richtung.

Resultierende Fragestellungen

  1. Warum kann KI dabei unterstützen? KI kann durch die Analyse großer Datenmengen und das Erkennen von Mustern gezielte Präventionsstrategien entwickeln, die besser auf individuelle Bedürfnisse abgestimmt sind.
  2. Wie können Präventionsmaßnahmen durch den Einsatz von KI im Sinne der gesundheitlichen Chancengleichheit gestaltet, verbessert oder erweitert werden, und wie lässt sich dadurch die Zielgruppenerreichung steigern?

KISucht Hackathon

Wie kann Künstliche Intelligenz (KI) in der Suchtprävention und -hilfe genutzt werden? Dieser Frage widmete sich der KISucht Hackathon 2024, den nuvio am 18. und 19. Januar 2024 in Berlin in Kooperation mit der Brandenburgischen Landesstelle für Suchtfragen e.V. und gefördert vom BMG, veranstaltete. nuvio brachte hierfür 35 Personen unterschiedlicher Hintergründe zusammen, um sich in Gruppen auszutauschen und gemeinsam Ideen zu entwickeln. Ziel war es, Ansätze zu den oben genannten Fragestellungen entwickeln zu lassen.

Erste Lösungsansätze und Innovationen

Der Hackathon brachte wertvolle neue Impulse in die Diskussion über den Einsatz von KI und die digitale Transformation im Bereich der Suchtprävention und -hilfe. Die Ergebnisse führten bereits zu Folgegesprächen und Initiativen auf Landesebene, beispielsweise zur Entwicklung eines Memorandums.

Hier sind einige Denkanstöße und Lösungsansätze, die helfen können, das Präventionsdilemma langfristig zu überwinden:

  • Personalisierte Prävention durch Datenanalyse: KI kann große Datenmengen analysieren und personalisierte Präventionsstrategien entwickeln, die besser auf individuelle Bedürfnisse oder auf die strukturellen sowie organisationalen Gegebenheit abgestimmt sind. Durch das Erkennen von Mustern im Nutzungsverhalten können gezielte Präventionsbotschaften und -programme entwickelt werden, die spezifische Risikogruppen ansprechen.
  • Digitale Plattformen und Apps: Digitale Plattformen und mobile Apps können den Zugang zu Präventions- und Unterstützungsangeboten erleichtern. Sie bieten Anonymität und sind rund um die Uhr verfügbar, was besonders wichtig für Menschen ist, die Hemmungen haben, sich persönlich an Hilfseinrichtungen zu wenden. Plattformen wie DigiSucht bieten Informationen und erste Beratung online an und können Betroffene direkt zu lokalen Unterstützungsdiensten weiterleiten.
  • Früherkennung und Intervention: Durch den Einsatz von KI-gestützten Tools können riskante Verhaltensweisen frühzeitig erkannt werden. Zum Beispiel können Algorithmen, die in sozialen Medien oder anderen digitalen Plattformen eingesetzt werden, Hinweise auf süchtiges Verhalten identifizieren und frühzeitige Interventionen ermöglichen.
  • Verbesserte Planung und Ressourcennutzung: In Suchthilfeeinrichtungen können KI-Systeme helfen, administrative Prozesse zu optimieren, wie z.B. die Terminplanung, die Zuordnung von Klient:innen zu Beratungsgruppen und die Abrechnung von Rehaleistungen.
  • Virtuelle Selbsthilfegruppen und Communitys: Digitale Selbsthilfegruppen und Online-Communitys bieten eine Plattform für den Austausch und die Unterstützung unter Gleichgesinnten. Diese virtuellen Räume können Menschen erreichen, die in ländlichen Gebieten leben oder aus anderen Gründen keinen Zugang zu traditionellen Selbsthilfegruppen haben.

Schlussfolgerung

Das Präventionsdilemma in der Suchthilfe stellt eine bedeutende Herausforderung dar, doch durch den gezielten Einsatz von KI können innovative Lösungen entwickelt werden, die gesundheitliche Chancengleichheit fördern und die Erreichbarkeit von Präventionsangeboten verbessern. Veranstaltungen wie der KISucht Hackathon zeigen, dass durch interdisziplinäre Zusammenarbeit und technologische Innovationen vielversprechende Ansätze zur Lösung dieser Probleme entstehen können.


Quellenverzeichnis

11.09.2024
Anna Bock

Du hast Fragen zu ‘Hintergrund‘ oder willst einfach nur „Hallo“ sagen?

->

Anne Brüning
Senior Public Affairs Manager

Weitere Themen gefällig?