Die Dynamik digitaler Technologien hat das Gesundheitswesen längst erreicht. Welche Rolle kann Künstliche Intelligenz (KI) konkret in Public Health, Prävention und Gesundheitsförderung spielen? Der Blick auf KI wird dabei zunehmend differenzierter. Zwischen Chancen der Hyperpersonalisierung, partizipativer Datenanalyse und ethischen Herausforderungen ist KI längst kein Zukunftsszenario mehr, sondern vielfach Realität.
Chancen der KI für Public Health
KI-Systeme können Public Health-Akteure vielfach unterstützen, indem sie:
- komplexe Gesundheitsdaten analysieren,
- Frühwarnsysteme für Epidemien automatisieren,
- Gesundheitskommunikation auf verschiedene Zielgruppen zuschneiden,
- und Verhaltensdaten in Echtzeit verarbeiten.
Panteli et al. (2025) betonen in The Lancet Public Health, dass KI nicht nur als Diagnosetool in der klinischen Medizin, sondern auch in der Epidemiologie, Ressourcensteuerung und Risikoaufklärung in der Bevölkerung wirksam werden kann. Der Einsatz reicht von Chatbots für Gesundheitsinformationen über prädiktive Modelle bis hin zu automatisierten Trendanalysen aus Social-Media-Daten.
Status quo: Zwischen Potenzial und strukturellem Nachholbedarf
Zwar gibt es zunehmende Anwendungen (z. B. COVID-Warnsysteme, personalisierte Chatbots, KI-gestützte Analyse von Umweltdaten), doch flächendeckend ist KI in Public Health bislang nicht etabliert. Die Analyse von Zeeb et al. (2024) zeigt, dass Public-Health-Institutionen vielfach noch mit Fragen der Datenverfügbarkeit, Ethik und Interoperabilität ringen.
Auch das Potsdamer Memorandum (BLS, 2025) betont am Beispiel der Suchthilfe, dass KI-Lösungen bislang punktuell eingesetzt werden, etwa für Risikoscoring, Sprachassistenz oder die automatisierte Fallsteuerung. Dabei gilt: Je sensibler die Daten, desto höher die Anforderungen an Ethik, Datenschutz und Inklusion.
Wo KI in der Prävention heute schon hilft
Eine Delphi-Befragung von Stark et al. (2023) hebt hervor, dass KI insbesondere in folgenden Feldern kurzfristig eine Rolle spielen wird:
- Verhaltensprävention durch personalisierte Feedbacksysteme
- Analyse digitaler Biomarker zur Früherkennung von psychischen oder chronischen Erkrankungen
- Partizipative Bedarfsanalysen in Settings
KI kann also dort unterstützen, wo klassische Verfahren zu grob oder zu langsam sind: Bei der zielgruppenspezifischen Ansprache, in der Evaluation von Maßnahmen und bei der Erkennung von Versorgungsengpässen.
Risiken & ethische Fallstricke
Trotz aller Chancen braucht es klare Rahmenbedingungen für den KI-Einsatz:
- Wer definiert, was ein “gesundes” Verhalten ist?
- Wie vermeiden wir Diskriminierung durch automatisierte Risikoprofile?
- Welche Kontrollinstanzen sichern Transparenz und Partizipation?
Das Potsdamer Memorandum fordert deshalb explizit eine menschenzentrierte, nicht kommerziell dominierte KI-Entwicklung – mit Fokus auf Teilhabe, Stigmavermeidung und Datenhoheit.
Ausblick: Kompetenzaufbau als Schlüssel
Damit KI in Public Health wirksam, fair und nachhaltig wird, braucht es:
- digitale Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung,
- KI-Kompetenz in den Fachberufen,
- sowie tragfähige Infrastrukturen für sichere, interoperable Datennutzung.
Der BMBF-Aktionsplan KI (2023) verweist zu Recht darauf, dass KI kein technisches „Add-on“ sei, sondern ein kultureller und institutioneller Wandel. Public Health kann Vorreiter sein – wenn die Technik nicht nur verfügbar, sondern auch verantwortlich gemacht wird.
Quellen
Bundesministerium für Bildung und Forschung.(2023). Aktionsplan Künstliche Intelligenz. https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/downloads/de/publikationen/2023/aktionsplan-kuenstliche-intelligenz.pdf
Brandenburgische Landesstelle für Suchtfragen e.V. (2025). Potsdamer Memorandum zu KI in der Suchthilfe. https://www.blsev.de/aktuelles/detail/potsdamer-memorandum-zu-kuenstlicher-intelligenz-in-der-suchthilfe-veroeffentlicht/
Panteli, D., Adib, K., Buttigieg, S., Goiana-da-Silva, F., Ladewig, K., Azzopardi-Muscat, N., Figueras, J., Novillo-Ortiz, D., & McKee, M. (2025). Artificial intelligence in public health: Promises, challenges, and an agenda for policy makers and public health institutions. The Lancet Public Health, 10(3), e200–e207. https://doi.org/10.1016/S2468-2667(25)00036-2
Stark, K., Schmid, D., & Müller, B. (2023). Zukunftstrends digitaler Technologien in der Gesundheitsförderung. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 66(4), 450–457. https://doi.org/10.1007/s00103-023-03800-4
Zeeb, H., Schüz, B., Schultz, T., & Pigeot, I. (2024). Entwicklungen in der Digitalisierung von Public Health seit 2020: Beispiele aus dem Leibniz-WissenschaftsCampus Digital Public Health Bremen. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 67(3), 260–267.https://doi.org/10.1007/s00103-023-03827-9